Urteil zu Polizeikosten ist ein Freifahrtschein für ungezügelte Polizeieinsätze

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass im Rahmen von Fußballspielen anfallende Kosten für Polizeieinsätze an die Vereine weitergegeben werden können. Damit endet ein über viele Jahre geführter Rechtsstreit.

„Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein Freifahrtschein für einen immer aggressiver und martialischer auftretenden Polizeiapparat. Fußballfans im ganzen Land sind bereits jetzt Woche für Woche mit massiven Polizeieinsätzen konfrontiert. Völlig unkontrolliert bestimmt die Polizei dabei selbst, wie viele Einsatzkräfte sie in und um die Stadien einsetzt. Dass die daraus entstehenden Kosten nun an die Vereine weitergegeben werden können, halten wir weiterhin für völlig falsch. Wer sich über zu hohe Polizeikosten beschwert, muss die Einsatzstärke endlich an der Realität ausrichten. Bisher bestimmt allein das Feindbild Fan der Polizei, wie groß der Einsatz wird. Eine unabhängige Kontrolle findet nicht statt. Dies ist ein unhaltbarer Zustand.“, erklärt Linda Röttig, Mitglied im Vorstand des Dachverbands der Fanhilfen e. V.

Das Bundesland Bremen hatte 2014 damit begonnen, Kosten für Einsatzkräfte der Polizei im Rahmen von Fußballspielen an die DFL weiterzugeben. Dagegen klagte der Ligaverband und zog bis vor das Bundesverfassungsgericht.

„Sicherheit zu privatisieren, ist eine fatale Entwicklung und wird Auswirkungen auf alle Formen von Großveranstaltungen haben. Der Gesetzgeber muss jetzt eingreifen und dafür sorgen, dass Polizeieinsätzen beim Fußball transparenter und nachvollziehbarer geplant werden. Seit Jahren liegt die Zahl der Straftaten beim Fußball im Promillebereich, während die Polizei immer weiter aufrüstet. Vor dem Hintergrund des Urteils muss die Intransparenz und der Wildwuchs in der Einsatzplanung der Polizei endlich beendet werden. Als Konsequenz aus dem heutigen Urteil fordern wir die Vereine auf, jeden einzelnen Gebührenbescheid vor den Verwaltungsgerichten zu beklagen. Nur dadurch kann die Grundlage für den Kräfteeinsatz der Polizei überprüft und somit die Richtigkeit der Rechnungssumme bewertet werden. Es ist im Sinne der Vereine, nicht für unnötige und vermeidbare Kosten herhalten zu müssen. Im Rahmen der 50+1 Regelung sind sie hierbei gegenüber ihren Mitglieder Rechenschaft schuldig.“, betont Linda Röttig abschließend.

Weniger verletzte Polizisten bei Fußballspielen

In guter Regelmäßigkeit wird von Polizeigewerkschaften und selbst ernannten Sicherheitsexperten vorgetragen, dass Polizistinnen und Polizisten durch die Einsätze im Rahmen von Fußballspielen massiv gefährdet und überlastet sind. Neueste Zahlen aus dem Bundesinnenministerium zeichnen für die Bundespolizei jedoch ein ganz anderes Bild.

„Erneut zeigt sich: Fußballspiele in Deutschland sind sicher. Die vielfach nahezu hysterisch vorgetragenen Horrorszenarien entsprechen weder dem Eindruck der Fans in den Stadien, noch sind sie durch Zahlen belegbar. Vielmehr zeigen die Daten aus dem Bundesinnenministerium sehr deutlich, dass Polizeigewerkschaften und die Innenbehörden der Länder eine verzerrte Wahrnehmung haben“, erläutert Danny Grauper vom Dachverband der Fanhilfen e. V. „Ganz offensichtlich soll hier bewusst ein falsches Bild der aktuellen Situation in und um die Fußballstadien erzeugt werden, um die eigenen politischen Ziele zu erreichen. Leidtragende dabei sind Millionen von Fußballfans. Und auch Polizistinnen und Polizisten werden dadurch von ihrer eigenen Interessenvertretung bzw. ihren Vorgesetzten hinters Licht geführt.“

Laut den Zahlen des Bundesinnenministeriums (Bundestagsdrucksache 20/3654) nimmt die Anzahl der verletzten Beamten der Bundespolizei seit der Saison 2012/13 immer weiter ab. Von damals 81 verletzten Personen ging die Anzahl auf 45 Personen in der Saison 2018/19 zurück. In der abgelaufenen Spielzeit waren es 40 verletzte Personen, wobei diese Daten aufgrund der vielen Spiele ohne Zuschauer eine geringere Aussagekraft besitzen. 

„Aus der Langzeitbetrachtung der Zahlen des Bundesinnenministeriums geht ebenso deutlich hervor, dass die Personalkosten der Bundespolizei bei Fußballspielen, die Anzahl der eingesetzten Beamten sowie die geleisteten Einsatzstunden insgesamt eine rückläufige Tendenz haben. Somit werden auch hierbei die immer wieder hervorgebrachten Behauptungen eindeutig widerlegt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Debatte um die Übernahme der Einsatzkosten durch die Vereine von großer Bedeutung. Denn diese wird ja vor allen Dingen mit angeblich steigenden Kosten bei der Polizei gefordert. Wir lehnen diese Privatisierung grundsätzlicher hoheitsstaatlicher Aufgaben glasklar ab. Denn die Vereine können nicht mitentscheiden, wie viele Einsatzkräfte der Polizei denn wirklich notwendig sind. Sie müssten Rechnungen begleichen, auf deren Höhe einzig und allein der Rechnungssteller einen entscheidenden Einfluss hat“, so Danny Graupner abschließend.