Studie belegt: Gewalt von Polizisten gegen Fußballfans ist weitverbreitetes Problem

Gewalt durch Polizeibeamte wird durch Fußballfans immer wieder thematisiert. Der Abschluss des Forschungsprojekts „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ (KviAPol) zeigt deutlich, dass gewalttätige Polizisten keine Einzeltäter sind. Es gibt ein grundsätzliches Problem in der Unterbindung von Gewalt durch Polizisten. Laut Studie sind Fußballfans die am zweistärkste betroffene Gruppe an Menschen, die unter Polizeigewalt leiden.

Linda Röttig vom Dachverband der Fanhilfe e. V. betont dazu: „Seit Jahren kritisieren die Fanhilfen anhaltende Polizeigewalt gegen Fußballfans. Es kommt immer wieder zu groß angelegten Aktionen der Polizei, die längst über Einzelfälle hinausgehen. Dies ist ein grundsätzliches Problem. Die Polizei muss ihr Feindbild ‚Fußballfan‘ endlich systematisch abbauen. Fußballfans sind keine Gewalttäter, sondern wollen ihren Verein unterstützen. Fanrechte sind Bürgerrechte, die auch am Spieltag nicht ausgehebelt werden dürfen.“

Ein erster Schritt zur Verbesserung, der schon im Zuge der letzten Bundestagswahl vom Dachverband der Fanhilfen gefordert wurde, wäre die Einführung der Kennzeichnungspflicht für alle Polizisten. Mit dieser Kennzeichnungspflicht könnten Übergriffe durch Beamte im Dienst präventiv begegnet werden. Außerdem braucht es unabhängige Kontroll- und Ermittlungsinstanzen, die bei Anzeigen gegen die Polizei uneingeschränkt ermitteln können. Polizeieinsätze bei Fußballspielen müssen defensiver geplant werden. In der Ausbildung und in Einsatztaktiken muss Deeskalation durch die Polizei mehr Beachtung finden statt Eskalation und durch falschen Korpsgeist die Schläger in Uniform sogar noch zu schützen.


Zum Forschungsprojekt „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ (KviAPol)

In der aktuellen Studie wurden 3.300 Betroffene von Polizeigewalt befragt sowie 60 Experteninterviews geführt, wobei die meisten Befragten die erheblichen Folgen von Polizeigewalt beschrieben. Körperliche und seelische Verletzungen sowie eine wachsende Abneigung gegen die Polizei und fehlendes Vertrauen in den Staat sind Folgen von Polizeigewalt. Die Betroffenen berichteten von Schlägen, Stößen sowie massiven Einsatz von Reizgas und Wasserwerfer durch die Polizei bei Großveranstaltungen wie Fußballspielen.

Strafverfahren zu Verdachtsfällen rechtswidriger polizeilicher Gewalt werden zudem zu über 90 Prozent von den Staatsanwaltschaften eingestellt. Nur in gerade einmal zwei Prozent der Fälle wird Anklage erhoben. Den Forschenden nach bringt ein Großteil der Betroffenen Polizeigewalt erst gar nicht zur Anzeige, weil schlechte Erfolgsaussichten und Sorge vor Repressionen überwiegen. Zur Studie: https://kviapol.uni-frankfurt.de/

Fanrechtefonds und Dachverband der Fanhilfen: Kooperation für weitere Stärkung der Rechte von Fußballfans

Hin und wieder kommt es vor, dass Rechtsstreitigkeiten Grundsatzentscheidungen zur Folge haben, die sich auf zukünftige Verfahren auswirken. Auch bei Gerichtsverfahren mit Fußballbezug ist dies der Fall. Der Dachverband der Fanhilfen e. V. unterstützt fortan den Fanrechtefonds bei seiner Arbeit durch eine neu vereinbarte Kooperation zwischen beiden Organisationen.

„Durch die zahlreichen Fanhilfen im Rücken, die sich im Dachverband der Fanhilfen zusammengeschlossen haben, können wir auf weitere Expertise und finanzielle Unterstützung bei der Arbeit des Fanrechtefonds zählen. Unverhältnismäßigen Repressionen gegen Fußballfans können wir so mit unserer strategischen Prozessführung zukünftig noch konsequenter entgegentreten“, erläutert Wilko Zicht, Sprecher des Fanrechtefonds.

Linda Röttig vom Dachverband der Fanhilfe e. V. ergänzt: „Wir verbinden nun die Stärken beider Organisationen im Einsatz für die Fanrechte. Eine vereinsunabhängige Anlaufstelle wie der Fanrechtfonds ist mit Blick auf Betroffene von Standorten, an denen keine Fanhilfestrukturen existieren, unerlässlich. Der Dachverband kann hier mit dem zusätzlichen Erfahrungsschatz, Wissen sowie dem Netzwerk der einzelnen Fanhilfen und Anwälten einen starken Beitrag leisten. Dies gibt uns gemeinsam die Möglichkeit, potenzielle Musterverfahren noch besser zu evaluieren und vor allem eine kompetente Verweisberatung für alle Betroffenen anzubieten.“

Der Fanrechtefonds unterstützt seit mehr als 16 Jahren betroffene Fußballfans in Rechtsstreitigkeiten, die als strategische Musterverfahren eine Wirkung auf zukünftige Vorfälle haben können und der Stärkung von Fanrechten dienen. Diese wichtige Arbeit wird aus Spenden finanziert und ist unabhängig der Vereinszugehörigkeit der betroffenen Person. In den vergangenen Jahren konnten zahlreiche juristische Erfolge mit bundesweiter Strahlkraft erzielt werden.

Im Dachverband der Fanhilfen e. V. haben sich inzwischen 22 organisierten Fanhilfen zusammengeschlossen und bündeln ihre Kräfte, sich bundesweiten Anliegen anzunehmen und ein gemeinsames Sprachrohr für Fußballfans zu bilden.

Linda Röttig und Wilko Zicht betonen abschließend: „Die neue enge Zusammenarbeit unserer beiden Organisationen soll die Unterstützung von Fußballfans aus ganz Deutschland auf ein neues Level heben. Mit vereinten Kräften werden wir uns noch stärker gegen ausufernde Polizeigewalt, illegale Datenspeicherungen und die Beschneidung von Grundrechten zur Wehr setzen.“


Informationen zum Fanrechtefonds gibt es hier.

Eine lebendige Fankultur braucht starke Fanrechte

22 Fanhilfen aus ganz Deutschland haben einen gemeinsamen Forderungskatalog zum besseren Umgang mit Fußballfans entwickelt. Auf der jährlichen Mitgliederversammlung des Dachverbands der Fanhilfen e. V., die am heutigen Sonntag in Hannover stattgefunden hat, blickten Vertreter der einzelnen Standorte gemeinsam auf den Neustart in den deutschen Stadien nach dem Ende der Corona-Beschränkungen. Viele Fanhilfen berichteten über anhaltend überzogene Polizeieinsätze.

Dazu betont Linda Röttig, Mitglied im Vorstand des Dachverbands: „Nach zwei Jahren Pandemie blüht die Fankultur in den Fußballstadien wieder vollends auf. Viel zu oft erleben Fans jedoch willkürliche und unverhältnismäßige Polizeimaßnahmen gegen sich. Die Polizei muss endlich ihre Feindbilder gegenüber den Fans abbauen. Wasserwerfer, Ganzkörperkontrollen und sogar Drohnenüberwachung gehören mittlerweile zum Standard-Repertoire der Polizei – selbst bei Fußballspielen in der 3. Liga. Das offenbart einen völlig übertriebenen Generalverdacht gegenüber allen Fans.”

Der heutige Beschluss der Fanhilfen setzt genau dort an und fordert, das Feindbild “Fußballfan” systematisch abzubauen. Dies muss einhergehen mit dem Schutz von Bürgerrechten am Spieltag sowie der Abschaffung der Datei “Gewalttäter Sport”. Darüber hinaus wird die Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für die Polizei erneuert und die auf EU-Ebene geplante Chatkontrolle abgelehnt.

“Kurz- und mittelfristige Verbesserungen für alle Fans müssen von der Politik zügig angegangen werden. Nach der Winterpause werden sich die Stadien wieder füllen und Fans werden erneut mit einem völlig aus dem Ruder gelaufenen Sicherheitsapparat konfrontiert sein. Einer echten Wertschätzung des vielfältigen Engagements der Fanszenen steht dieser Generalverdacht eindeutig entgegen. Dauerüberwachung, Freiheitsbeschränkungen, rechtswidrige Datensammlungen, fehlende Handhabe gegen Polizeigewalt und die geplante Kontrolle jeglicher digitaler Kommunikation beschränken Fanrechte massiv. Die Fanhilfen in Deutschland werden zu diesen Themen auch in Zukunft nicht schweigen und Missstände weiterhin eindeutig benennen.”

Weniger verletzte Polizisten bei Fußballspielen

In guter Regelmäßigkeit wird von Polizeigewerkschaften und selbst ernannten Sicherheitsexperten vorgetragen, dass Polizistinnen und Polizisten durch die Einsätze im Rahmen von Fußballspielen massiv gefährdet und überlastet sind. Neueste Zahlen aus dem Bundesinnenministerium zeichnen für die Bundespolizei jedoch ein ganz anderes Bild.

„Erneut zeigt sich: Fußballspiele in Deutschland sind sicher. Die vielfach nahezu hysterisch vorgetragenen Horrorszenarien entsprechen weder dem Eindruck der Fans in den Stadien, noch sind sie durch Zahlen belegbar. Vielmehr zeigen die Daten aus dem Bundesinnenministerium sehr deutlich, dass Polizeigewerkschaften und die Innenbehörden der Länder eine verzerrte Wahrnehmung haben“, erläutert Danny Grauper vom Dachverband der Fanhilfen e. V. „Ganz offensichtlich soll hier bewusst ein falsches Bild der aktuellen Situation in und um die Fußballstadien erzeugt werden, um die eigenen politischen Ziele zu erreichen. Leidtragende dabei sind Millionen von Fußballfans. Und auch Polizistinnen und Polizisten werden dadurch von ihrer eigenen Interessenvertretung bzw. ihren Vorgesetzten hinters Licht geführt.“

Laut den Zahlen des Bundesinnenministeriums (Bundestagsdrucksache 20/3654) nimmt die Anzahl der verletzten Beamten der Bundespolizei seit der Saison 2012/13 immer weiter ab. Von damals 81 verletzten Personen ging die Anzahl auf 45 Personen in der Saison 2018/19 zurück. In der abgelaufenen Spielzeit waren es 40 verletzte Personen, wobei diese Daten aufgrund der vielen Spiele ohne Zuschauer eine geringere Aussagekraft besitzen. 

„Aus der Langzeitbetrachtung der Zahlen des Bundesinnenministeriums geht ebenso deutlich hervor, dass die Personalkosten der Bundespolizei bei Fußballspielen, die Anzahl der eingesetzten Beamten sowie die geleisteten Einsatzstunden insgesamt eine rückläufige Tendenz haben. Somit werden auch hierbei die immer wieder hervorgebrachten Behauptungen eindeutig widerlegt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Debatte um die Übernahme der Einsatzkosten durch die Vereine von großer Bedeutung. Denn diese wird ja vor allen Dingen mit angeblich steigenden Kosten bei der Polizei gefordert. Wir lehnen diese Privatisierung grundsätzlicher hoheitsstaatlicher Aufgaben glasklar ab. Denn die Vereine können nicht mitentscheiden, wie viele Einsatzkräfte der Polizei denn wirklich notwendig sind. Sie müssten Rechnungen begleichen, auf deren Höhe einzig und allein der Rechnungssteller einen entscheidenden Einfluss hat“, so Danny Graupner abschließend.

Forderung nach lebenslangen Stadionverboten ist reiner Populismus

Die Polizei-Gewerkschaft fordert nach aktuellen Berichten lebenslange Stadionverbote für Fußballfans. Dazu betont Linda Röttig, Vorstand im Dachverband der Fanhilfen e. V.:

„Die deutschen Stadien sind, gemessen an der Zahl der Straftaten pro Besucher, viel sichere Orte als beispielsweise das Oktoberfest in München. Wenn Polizeigewerkschaften vor Toten oder bürgerkriegsähnlichen Zuständen warnen, dann ist das nicht mehr als reiner Populismus. Fußballfans als potentielle Gewalttäter unter Generalverdacht zu stellen, ist der falsche Weg. Der Anteil von Straftaten im Rahmen von Fußballspielen ist im Vergleich zu dem enormen Zuschaueraufkommen in den Stadien marginal.

Wer lebenslange Stadionverbote fordert, der verkennt, dass es bereits sehr harte Regelungen des DFBs zur Vergabe von Stadionverboten gibt. Der Dachverband der Fanhilfen kritisiert die Vergabe von Stadionverboten, weil hiermit Fans doppelt bestraft werden. Sollte ein Fußballfan in einem Stadion straffällig werden, dann droht ihm eine Strafverfolgung durch die Polizei und zudem noch ein Stadionverbot. Diese doppelte Bestrafung ist ein absolutes No-Go.“

Schikanen gegen Bremer Fans: Polizei muss besseren Umgang mit Fußballfans finden

Zum Bundesliga-Auftakt gab es – wie an jedem Wochenende – zahlreiche Eingriffe in die Grundrechte von Fußballfans durch die Polizei zu verzeichnen. Mediale Aufmerksamkeit erlangten die überzogenen Polizeimaßnahmen beim Auswärtsspiel von Werder Bremen beim VfL Wolfsburg, die der Dachverband scharf verurteilt.

Der Dachverband der Fanhilfen kritisiert den Umgang der Polizei mit den Bremer Fans sowie die Reaktion des niedersächsischen Innenministeriums vom vergangenen Freitag, die zeigt, dass das eigentliche Problem dort nach wie vor nicht verstanden und eingesehen wurde. Wenngleich Fehler zugegeben wurden, streift die Analyse nicht ansatzweise den Kern des Problems beim Polizeieinsatz am Wolfsburger Hauptbahnhof. Unabhängig von einer nicht existenten Feindschaft beider Fanszenen, erscheinen die durch die Polizei vollzogenen massiven Personenkontrollen wegen des Verdachts auf Pyrotechnik mehr als unverhältnismäßig. Ferner ist es äußerst fraglich, wie und woran genau die Polizei Ultras von anderen Fans unterscheidet, ohne Gefahr zu laufen, dass eine rechtswidrige Ungleichbehandlung sowie zahlreiche unbegründete Grundrechtseingriffe stattfinden.

Dazu betont Linda Röttig, Vorsitzende des Dachverbands der Fanhilfen e. V.: „Der Umgang mit den Auswärtsfans von Werder Bremen durch die Polizei hat tief blicken lassen und deutlich gemacht, dass radikale Grundrechtseingriffe gegen Fans weiterhin an der Tagesordnung sind. Es darf keine Doppelstandards für Fußballfans geben. Sie gehören genauso fair behandelt, wie Konzertgänger oder Besucher auf Volksfesten. Innenministerium und Polizei dürfen sich nicht auf halbgaren Entschuldigungen ausruhen, sondern müssen im Umgang mit Fußballfans grundsätzlich umdenken. Die Reaktion des niedersächsischen Innenministeriums lässt nur auf Lippenbekenntnisse schließen und ist ein Versuch, sich aus der Affäre zu ziehen, ohne eigene Fehler zuzugeben und eine Wiederholung auszuschließen.“

Die Grün-Weiße Hilfe Bremen bereitet derzeit die Einreichung mehrerer Klagen vor, um die Rechtswidrigkeit jener Maßnahmen feststellen zu lassen, die von der Polizei nach wie vor verteidigt werden. Der Dachverband der Fanhilfen und zahlreiche Rechtsanwälte werden den Vorgang weiterverfolgen.

15. August 2022

Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung – Hoffnung auf Stärkung der Fanrechte

Mit dem heute vorgelegten Entwurf für einen Koalitionsvertrag soll es endlich Klarheit über den zukünftigen Umgang mit Fußballfans geben. Ein erster Blick in den Vertrag verrät, dass die zunehmende Kriminalisierung der vergangenen Jahre zumindest gestoppt werden soll.

“Wir freuen uns, dass sich einige der von uns vor der Wahl erhobenen Forderungen in dem Entwurf des Koalitionsvertrags wiederfinden. So begrüßen wir außerordentlich, dass die von uns seit Langem geforderte Einführung einer Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei umgesetzt werden soll. Dasselbe gilt für die geplante Einsetzung einer bzw. eines unabhängigen Polizeibeauftragten für die Polizeien des Bundes beim Deutschen Bundestag. Diese Person darf jedoch kein zahnloser Tiger sein, sondern braucht starke Durchgriffsrechte, um entschieden gegen Machtmissbrauch in der Polizei handeln zu können”, erläutert Danny Graupner vom Dachverband der Fanhilfen e. V.

Mit der neuen Bundesregierung verbindet der Dachverband der Fanhilfen e. V. die Hoffnung, dass die im Vorfeld versprochenen Fortschritte im Bereich der Fan- und Freiheitsrechte auch wirklich in die Tat umgesetzt werden. Dies gilt zum Beispiel für den Ausschluss von flächendeckender Videoüberwachung sowie für den Einsatz von biometrischer Erfassung. Ebenso für die Gewährleistung des Rechts auf Anonymität – sowohl im öffentlichen Raum, als auch im Internet. Beides Vorhaben, die ebenfalls im Entwurf des Koalitionsvertrags benannt sind.

“Leider konnten sich die künftigen Regierungsparteien nur auf eine Reform der Datei ‘Gewalttäter Sport’ verständigen. Wir bleiben dabei, dass eine Abschaffung dieser Datensammlung der richtigere Weg wäre, weil diese Datei nach unserer Auffassung rechtswidrig ist. Eine Reform des bestehenden Systems ist nicht möglich. Dennoch sehen wir, dass der öffentliche Druck der letzten Jahre bei diesem Thema Wirkung gezeigt hat. Wir werden auch zukünftig genau darauf achten, dass die neue Bundesregierung die hier angekündigten Versprechungen schnell umsetzt und unsere Stimme erheben. Ebenso werden wir die Regierungsparteien an ihren Taten messen und uns in den kommenden Jahren weiter für ein Ende der Kriminalisierung von Fußballfans einsetzen”, so Danny Graupner abschließend.

Hannover, 24. November 2021

Fatales Signal für Fanrechte – Mittelalterliche Sippenhaft des DFB bleibt erneut unangetastet

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem heutigen Urteil die aktuelle Sportgerichtsbarkeit des DFB bestätigt. Dagegen geklagt hatte der Verein FC Carl Zeiss Jena, da sich dieser aus seiner Sicht zu Unrecht mit einer Strafzahlung wegen des Einsatzes von Pyrotechnik durch seine Fans bestraft sah. Der Dachverband der Fanhilfen e. V. sieht in diesem Urteil ein fatales Signal für Fanrechte.

„Die vom DFB-Sportgericht verhängten Kollektivstrafen gegen Fans und Vereine widersprechen zutiefst dem Grundsatz der demokratischen Rechtsprechung. Nur wem eine konkrete Tat nachgewiesen wird, kann dafür strafrechtlich belangt werden. Dass der BGH dies bei seinem Urteil völlig außer Acht lässt und damit auch die unverhältnismäßige Weitergabe der Verbandsstrafen auf einzelne Fußballfans billigt, können wir nicht nachvollziehen. Gerade die oftmals jungen Fans werden dadurch doppelt bestraft, da einzelne Personen in der Regel nach solchen Vorfällen strafrechtlich verfolgt werden. Hinzu kommen nun die erwarteten Umlagen dieser Kollektivstrafen auf die aktiven Fanszenen. Diese Zustände sind eines Rechtsstaats unwürdig und hätten dringend vom BGH korrigiert werden müssen“, erklärt Danny Graupner vom Dachverband der Fanhilfen e. V.

Im konkreten Fall wurde der FC Carl Zeiss Jena vom DFB-Sportgericht nach angeblichem Fehlverhalten seiner Fans zu einer Strafzahlung in Höhe von 24.900 Euro verurteilt. Gegen diese Entscheidung klagte der Verein und begründete dies damit, dass die Sportgerichtsbarkeit gegen die öffentliche Ordnung verstoße.

„Gerichtsentscheidungen des DFB zu Vorfällen im Stadion beruhen immer darauf, dass einer größeren Personengruppe ein angebliches Fehlverhalten vorgeworfen wird. Die dafür verhängte Strafe wird in der Regel im Anschluss von den Vereinen an wenige Personen weitergegeben. Das ist Sippenhaft, wie wir sie nur aus dem Mittelalter kennen und zeigt eindeutig, dass das Verteilen von Kollektivstrafen mit der Gießkanne unverhältnismäßig ist. Zehntausende Euro sind für einzelne Personen nicht bezahlbar, für Vereine oftmals aber ein minimaler Posten in ihren millionenschweren Etas. Diese Praxis der Umlage von Kollektivstrafen auf einzelne Fans muss dringend beendet werden“, erläutert Danny Graupner abschließend.

Hannover, 04. November 2021

Fanhilfen fragen – Parteien antworten

Anlässlich der nahenden Bundestagswahl haben wir den aktuell im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien einen Fragenkatalog (genannt Wahlprüfsteine) zu den Themen Fan- und Freiheitsrechten zukommen lassen. Alle Parteien mit Ausnahme der AfD, haben darauf geantwortet und uns ihre Standpunkte zugesandt.

Nachfolgend fassen wir diese jeweils kurz zusammen. Unten findet Ihr dann die an uns übersandten Dokumente der Parteien im Original.

Datei “Gewalttäter Sport”

Die CDU sieht in der Datei ein wesentliches Hilfsmittel für die Polizei, zeigt sich aber für konstruktive Verbesserungen offen. Auch für die SPD ist die Datei ein sinnvolles Instrument, wobei zusätzlicher Regelungsbedarf bzgl. der Speichergründe, der Speicherdauer und der Informationspflichten gesehen wird. FDP und Grüne hingegen sehen teilweise erheblichen Reformbedarf bei der Datei und stellen sie zumindest in der jetzigen Form infrage. Die Linke will die Speicherpraxis der Datei “Gewalttäter Sport” beenden.

– Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei

SPD, FDP, Linke und Grüne befürworten grundsätzlich die Einführung einer Kennzeichnungspflicht bei der Bundespolizei. Die CDU hält sie für nicht notwendig.

– Unabhängige Aufarbeitung von Polizeigewalt

Sowohl die FDP als auch SPD, Linke und Grüne sprechen sich für eine unabhängige Aufklärung von Polizeigewalt durch eine neu zu schaffende Stelle aus. Eine solche Stelle ist aus Sicht der CDU nicht erforderlich.

– Gebührenordnung der Bundespolizei

Die Grünen fordern mindestens eine Änderung diverser Nummern der Gebührenordnung, um die Gebührentatbestände möglichst schonend im Hinblick auf die Grundrechtsausübung auszugestalten. Für die CDU ist die Gebührenordnung notwendig und auch weiterhin richtig. Die Linke lehnt hingegen die Gebührenordnung samt des darin verankerten “Verursacherprinzips” ab. FDP und SPD sehen die Gebührenordnung ebenfalls sehr kritisch und verlangen grundsätzliche Überarbeitungen.

– Videoüberwachung mit biometrischer Erkennung

Für Die Linke erzeugt eine Videoüberwachung mit biometrischer Erkennung ein Gefühl des permanenten Überwachtseins, das im Widerspruch zum Recht des Einzelnen auf freie Entfaltung steht. Daher lehnt die Partei deren Einsatz ab – ebenso Grüne, SPD und FDP. Die CDU möchte die Voraussetzungen für einen entsprechenden Einsatz von biometrischer Erkennung schaffen und diese an Gefahrenorten, zu denen sie auch Fußballstadien zählt, einsetzen.

– Vorratsdatenspeicherung

SPD und CDU befürworten weiterhin den Einsatz der Vorratsdatenspeicherung. Linke, Grüne und FDP lehnen die anlasslose Speicherung aller Telekommunikationsverbindungsdaten auf Vorrat eindeutig ab.

– § 114 StGB (Angriff auf Einsatzkräfte)

Mit dem 2017 neu geschaffenen § 114 StGB sollen speziell Angriffe auf Einsatzkräfte verfolgt werden. Gewollt oder ungewollt entsteht dadurch aber eine erhebliche Strafverschärfung und das, obwohl auch schon mit den bestehenden Gesetzen eine entsprechende Verfolgung von Straftaten möglich war. CDU, Grüne, FDP und SPD wollen an dieser Regelung festhalten. Einzig Die Linke lehnt sie ab und sieht, dass durch den Gesetzeswortlaut der Bemessungsspielraum der Gerichte begrenzt wird und teils übermäßige Strafen verhängt werden.